Inflation und Lohnentwicklung – was kann die Geldpolitik tun?

Dr. Klaus Bauknecht

Erste Effekte der geldpolitischen Straffung sind bereits erkennbar, vor allem in zinssensitiven Sektoren wie der Bau- und Immobilienbranche. Dort lässt die Kreditvergabe bzw. -nachfrage deutlich nach. Die Häuserpreise sinken und werden Vermögen und Bausektor belasten. Auch die Aktienmärkte gehen zunehmend von einer durch die Geldpolitik initiierten Rezession aus; Risikoprämien weiten sich aus, insbesondere bei Banken.

Die konjunkturelle Abkühlung ist notwendig, um den Inflationsdruck in den Griff zu bekommen. Zwar mögen sinkende Importpreise aufgrund geringerer Rohstoffpreise für deflationäre Impulse sorgen, und auch die Entspannung bei den Lieferengpässen deutet auf eine Angebotsentlastung hin. Zudem machen sich nun im Jahresvergleich fehlende Basiseffekte bemerkbar, denn aufgrund des Anstiegs der Energiepreise vor einem Jahr fallen die Inflationsraten aktuell etwas niedriger aus. Allerdings gibt es weiterhin das Risiko von Zweitrundeneffekten, insbesondere bei der Lohnentwicklung. Da die Inflationsrate bereits das dritte Jahr in Folge hoch ausfällt, wird der Lohndruck 2023 sowie im Folgejahr andauern. Denn der reale Einkommensverlust ist zu dominant, als dass ein Inflationsrückgang allein ausreichen würde, die Lohnforderungen zu relativieren. Zudem droht durch Klimawende, Arbeitskräftemangel und demografische Entwicklung ein nachhaltiger Inflationsdruck.

Bei der Inflationsbekämpfung durch die Notenbanken wird allerdings häufig kritisiert, dass Zinsen eher ein grobes Instrument seien und wenig direkten Einfluss auf die Inflation hätten, bzw. starke Nebenwirkungen. Sicherlich ist richtig, dass es Notenbanken generell schwerfällt, die Wirtschaft anzukurbeln. Schließlich können sie niemanden zwingen, Kredite aufzunehmen. Notenbanken können aber eine Wirtschaft durch Zinserhöhungen abkühlen, so wie es aktuell auch die EZB macht.

Diesbezüglich ist sich die Literatur einig: Eine geldpolitische Straffung wird immer zu einer niedrigeren Inflation, aber auch zu schwächerem Wachstum führen. Zwar sind Timing und Ausmaß des monetären Transmissionsmechanismus durchaus umstritten, keine Zweifel bestehen hingegen darin, dass er generell funktioniert und einen negativen Einfluss auf das BIP-Wachstum hat, der womöglich größer ausfällt als der auf die Inflation, – zumindest laut empirischer Modelle der EZB.

Die Ergebnisse untermauern die Notwendigkeit einer spürbaren konjunkturellen Eintrübung, um die Inflation in den Griff zu bekommen. Nur dadurch können Zweitrundeneffekte wie zu hohe Lohnforderungen vermieden werden. Nichts führt daran vorbei: Die Konjunktur muss sich deutlich abkühlen bzw. darf sich im Jahr 2023 nicht erholen, damit eine Abschwächung der Inflationsdynamik sichergestellt wird. Die Frage ist nur, bei welchem Zinssatz dieses Ziel erreicht wird, also inwieweit Fiskalpolitik und Bankenstress der Geldpolitik Gegen- oder Rückenwind geben. Modellergebnisse der EZB deuten darauf hin, dass die bis dato vollzogene geldpolitische Straffung von 350 bp einen nennenswerten Einfluss auf Inflation und vor allem BIP-Wachstum haben sollte. Damit dürfte die große Zinskorrektur voraussichtlich bereits vollzogen sein. Dies gilt vor allem dann, wenn globale Angebotsprobleme wie Lieferengpässe und hohe Rohstoffpreise weiter nachlassen.

Newsletter vom 12. April 2023

Dr. Klaus Bauknecht – Chefvolkswirt
IKB Deutsche Industriebank AG

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