Gold – Rallye ohne Ende?

Welcher Anleger braucht Künstliche Intelligenz, wenn er auf natürliches Gold setzen kann? Das Edelmetall muss dieses Jahr nur mit anderen Metallen um den ersten Platz auf dem Rendite-Podium kämpfen. Mehr als 50 Prozent seit Jahresbeginn und in der Spitze 30 Prozent allein seit Ende August – das schafft Aufmerksamkeit. Bei diesen Zahlen schmerzt auch eine Korrektur wie Mitte Oktober – zumindest die Altanleger – kaum. Wie sieht es für Neuanleger aus? Der Versuch einer Einordnung.
Goldpreisprognosen sind heikel. Um nur drei Probleme zu nennen: 1. Mangels laufender Rendite wird eine fundamentale Bewertung stark erschwert. 2. Verstärkt wird dieses Problem durch die hohe Emotionalität, die Gold bei vielen Käufern auslöst. 3. Der Goldpreis macht, was er will. Er korreliert immer mit irgendwas. Mal mit Realrenditen, mal mit der Nachfrage der Zentralbanken, mal mit dem wahrgenommenen geopolitischen Risiko, mal mit der Schmucknachfrage aus Indien. Diese Korrelationen können Jahre andauern, nur um dann in kurzer Zeit einzubrechen. In den 2010er Jahren etwa bewegten sich Goldpreis und reale US-Anleiherenditen in nahezu perfekter negativer Korrelation. Doch seit drei Jahren steigen Goldpreis und Realrenditen gleichermaßen. Seitdem geben sich Erklärungsversuche für die Rally die Klinke in die Hand. Zurzeit beliebt ist die Sorge vor einer Geldentwertung. Und wer will, der kann einen Gleichlauf der Staatsverschuldung relativ zum BIP der G7 Staaten von 2002 bis 2022 mit dem Goldpreis sehen. Doch seit wiederum drei Jahren stieg Gold weit stärker als die Verschuldung und ist auch den Schuldenprojektionen des IMF für die kommenden Jahre weit enteilt.
Fangen wir mal bei Null, also bei Angebot und Nachfrage an. Auf der Angebotsseite war das Produktionsvolumen in den vergangenen zehn Jahren erstaunlich stabil; egal was Produktionskosten, Nachfrage oder Preis gemacht haben.
Ähnlich auf der Nachfrageseite. Zwar kauft immer irgendjemand mehr als im Vorjahr. Ob Zentralbanken in Summe (seit 2010 kräftige Nettokäufer), einzelne Zentralbanken (China 2023), ETF-Käufer (seit 2024 wieder) oder Indiens Hochzeitspaare. Allerdings halten sich letztere derzeit mit Käufen zurück. Besser gesagt: sie geben zwar die gleiche Summe aus, erhalten dafür aber weniger Material. Weniger preissensitiv zeigen sich deutsche Privatanleger, deren Kauflust im Tandem mit dem Preis zu steigen scheint. Aber im Aggregat ist die Nachfrage seit Jahren stabil und erklärt demnach die mittelfristigen Preisschwankungen auch nicht.
Was heißt all das für Anleger? Wenig. Außer, dass Gold eher zur langfristigen Anlage taugt: Seit die USA den Dollar nicht mehr an Gold gekoppelt haben – 1971 – hat der Greenback gegenüber Gold 99 Prozent seines Wertes verloren.

Newsletter vom 29. Oktober 2025
Dr. Martin Moryson – Chefvolkswirt Europa
DWS
Zum Newsletter anmelden