China und die USA – voneinander abhängige Rivalen

Der Konflikt zwischen China und den USA ist durch die Coronakrise in den Hintergrund gerückt, obwohl man sich inhaltlich auch seit dem Amtsantritt von Joe Biden bisher kein Stück nähergekommen ist. Die während der Präsidentschaft Donald Trumps implementierten Restriktionen sind weiterhin in Kraft.

Letztlich ist der Handelskonflikt nur ein Werkzeug im Wettlauf um die wirtschaftliche, technologische und wohl auch irgendwann einmal militärische Vormachtstellung in der Welt. Ähnlich wie zu Zeiten des Kalten Krieges geht es auch diesmal um einen Wettbewerb der Systeme. Allerdings ist das heutige Regime und Wirtschaftssystem Chinas nicht mehr mit dem des früheren Ostblocks vergleichbar. Vor allem technologisch setzt China Maßstäbe und profitiert von einer geschickten Kombination aus rigoroser Staatsmacht und kapitalistischen Ansätzen.

China bleibt aber für internationale Investoren ein politisch schwer berechenbares Umfeld. Einerseits werden langfristige Pläne, wie der Aufbau der Neuen Seidenstraße (Belt and Road Initiative), die gezielte Förderung besonders zukunftsträchtiger Technologien (Made in China 2025) oder kürzlich die Stärkung der Binnennachfrage und die Fokussierung des Außenhandels auf den engeren ostasiatischen Raum (Dual Circle Strategy) konsequent umgesetzt. Andererseits besteht jederzeit die Möglichkeit, dass es zu abruptem politischen Kurswechsel kommen kann, bspw. wenn die oberste Priorität der chinesischen Regierung, der soziale Friede, in Gefahr gerät.

Besonders ist zudem, dass die Kontrahenten und viele Dritte wirtschaftlich eng miteinander verbunden sind. Für Deutschland sind die USA und China die wichtigsten Handelspartner außerhalb der EU. Chinesische Vorleistungen sind für viele Unternehmen weltweit ein fester Bestandteil der Produktionskette. Hinzu kommen gegenseitige Direktinvestitionen und Unternehmensbeteiligungen. Der chinesischen Regulierungswelle im Technologiesektor im Sommer folgte daher die Initiierung eines Treffens zwischen chinesischen Offiziellen und einigen US-Banken, um zu erläutern, dass man keineswegs einen dauerhaft restriktiven Regulierungspfad einzuschlagen gedenkt. Nicht zuletzt ist China mit einem Volumen von über einer Bio. US-Dollar der größte Halter von US-Staatsanleihen und eine ungeordnete Abwicklung des in Schieflage geratenen Immobilienentwicklers Evergrande hätte das Zeug die Kapitalmärkte weltweit in schwere Turbulenzen zu stürzen.

Auch wenn beide Seiten derzeit versuchen, gegenseitige Abhängigkeiten zu reduzieren, wäre ein kompletter Abbruch bestehender Beziehungen undenkbar und würde mit massiven wirtschaftlichen Schäden einhergehen. Andererseits ist ein „weiter so“ ebenfalls unrealistisch. Einfache Lösungen sind nicht in Sicht. Die Neuordnung des Verhältnisses zwischen China und den USA wird die internationalen Beziehungen daher wohl noch jahrzehntelang prägen.

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Newsletter vom 22. September 2021

Carsten Mumm – Chefvolkswirt und
Leiter der Kapitalmarktanalyse
Privatbank Donner & Reuschel

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