Als Lehrgeld abhaken und solide werden

Gebetsmühlenartig habe ich in den letzten Jahren die vielen Neubörsianer davor gewarnt, ihr ganzes Geld auf heiße Trendaktien zu setzen. Leider haben sich meine Befürchtungen inzwischen bewahrheitet – noch ist es für die Börsenneulinge aber nicht zu spät!

In den letzten zwei Jahren habe ich mehrfach meine Freude über die gestiegenen Aktionärszahlen in Deutschland zu Papier gebracht – gleichzeitig aber auch meine große Befürchtung, dass viele der Neulinge den komplett falschen Weg eingeschlagen haben.

Ein Zitat von mir selbst aus dem letzten Jahr: „Ob mit hochriskanten Techaktien, Pleitefirmen oder mit Hebelprodukten: Der nächste ,Trade‘ ist immer nur einen Fingerstreich auf dem Handy entfernt. Die heißen Tipps holt man sich aus Chatgruppen oder Internetforen, wo die haarsträubendsten Aktien in die Höhe gejubelt werden.“

Inzwischen haben sich meine Sorgen um die jungen Wilden leider bewahrheitet. Denn während sich solide Aktien in den Turbulenzen der letzten Monate wacker schlugen (Dow Jones und STOXX stehen nur 10 bzw. 5 Prozent unter ihrem Hoch), sind die heißen Trendaktien der letzten Jahre dramatisch abgestürzt.

Ob Kurzzeit-Corona-Profiteure wie Teamviewer, Zoom oder Peloton, ob vermeintliche Wasserstoff-Raketen wie Plug Power oder FuelCell, ob Impfstoff-Überflieger wie Biontech und Moderna, ob die im Internetforum Reddit hochgejubelten Titel GameStop oder AMC – sie alle notieren heute 60 bis 99 Prozent unter Höchstkurs! Von den ganzen neumodischen SPAC-Konstrukten ganz zu schweigen.

Natürlich: Auch bei den von mir favorisierten Global Playern hat es die letzten Monate einige Aktien böse erwischt. Doch im Gegensatz zu fast allen Hype-Aktien erwirtschaften diese Unternehmen seit Jahren durchweg steigende Gewinne – und dürften in Zukunft noch mehr verdienen. Hier sollte es also nur eine Frage der Zeit sein, bis die Kursrückschläge aufgeholt werden. Bei vielen Trendaktien hingegen habe ich allergrößte Zweifel, ob sie jemals wieder ihr Allzeithoch sehen.

Ich kann mich deshalb nur wiederholen: Finger weg von Trendaktien! Auch wenn die Geschäftsmodelle noch so verlockend klingen, die Zukunftsaussichten noch so rosig scheinen, das Umsatzwachstum noch so phänomenal ist und die Kurse so steil nach oben gehen, dass man einfach um jeden Preis dabei sein will: In den allermeisten Fällen kommt man zu spät und die Spekulation geht in die Hose.

Für die gebeutelten Neubörsianer hoffe ich inständig, dass sie das Ganze unter der Rubrik Lehrgeld abhaken können und nun den Weg zu einer soliden Anlagestrategie mit Qualitätsaktien finden.

Newsletter vom 04. Mai 2022

Joachim Brandmaier – Börsenpraktiker
Stuttgarter Aktienbrief „Börse Aktuell“

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